EU-Taxonomie – Definition nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten


Auf Grundlage des „Green Deal“ der EU aus dem Jahr 2019, ist am 12. Juli 2020 die EU-Taxonomie-Verordnung (Verordnung (EU) 2020/852) in Kraft getreten. Im Rahmen der EU-Taxonomie-Verordnung sind außerdem insbesondere die Bilanz-Richtlinie (2013/34/EU) und die Sustainable-Finance-Disclosure-Regulation (SFDR – Verordnung (EU) 2019/2088) betroffen. Die ersten Anforderungen der EU-Taxonomie an Unternehmen gelten seit dem 1. Januar 2022. Alle weiteren Anforderungen hinsichtlich der Umweltziele sind noch in der Bearbeitung und werden ab dem 1. Januar 2023 gelten.

Die EU-Taxonomie soll vor allem zum Erreichen der EU-Klimaziele beitragen. Übergeordnete Klimaziele sind bis 2030 eine Treibhausgaseinsparung von 55 Prozent und bis 2050 eine klimaneutrale Wirtschaft in den EU-Mitgliedsstaaten zu erreichen. Die EU-Taxonomie zielt darauf ab, Kapitalströme hin zu nachhaltigen Investitionen zu lenken, Nachhaltigkeit als Bestandteil in das Risikomanagement einzubinden sowie Anreize und Förderungen bezüglich nachhaltiger Investitionen und nachhaltigem Wirtschaften zu schaffen.

Die EU-Taxonomie legt dabei Standards für ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften fest, indem sie entsprechende Wirtschaftstätigkeiten innerhalb der EU allgemeingültig klassifiziert. Sie beruht auf sechs Umweltzielen, die in der Verordnung verankert sind:

  1. Klimaschutz
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Nachhaltige Nutzung von Wasser- und Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Verminderung und Prävention von Umweltverschmutzung
  6. Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und Ökosysteme

Möchte ein Unternehmen als nachhaltig eingestuft werden, muss es seine wirtschaftlichen Tätigkeiten mit mindestens einem der Umweltziele in Einklang bringen (wesentlicher Beitrag zum Erreichen des Ziels) und darf zugleich gegen keines der anderen Umweltziele verstoßen (erhebliche Beeinträchtigung der Umweltziele). Hier gilt das DNHS-Prinzip (Do No Significant Harm). Darüber hinaus werden Mindestanforderungen im sozialen Bereich und bezüglich der Menschenrechte an Unternehmen gestellt.
Unternehmen mit einem hohen Anteil nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten fallen im Vergleich zu anderen Unternehmen positiv auf und geraten damit einhergehend in den Investitionsfokus privater Anleger. Dadurch soll mehr Geld in nachhaltige Technologien und Unternehmen gelenkt werden und gleichzeitig eine Transparenz über nachhaltige Investitionen geschaffen werden. Insbesondere die geplante Verordnung über europäische Grüne Anleihen verspricht hier Vorteile: Nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten können künftig mit attraktiveren Konditionen finanziert werden. Für die Anleihen wird es darüber hinaus nicht notwendig sein, dass das Unternehmen insgesamt als nachhaltig wirtschaftend einzustufen ist – auch einzelne nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten können gezielt mit den Anleihen finanziert werden.
Doch auch ohne Verordnung über Grüne Anleihen fragen Banken zunehmend Nachweise über Nachhaltigkeit an.

Bislang gibt es nur für die ersten beiden Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ fest definierte Bewertungskriterien. Die Europäische Kommission veröffentlichte am 9. Dezember 2021 mit der delegierten Verordnung (EU) 2021/2139 die ersten technischen Bewertungskriterien, welche die Taxonomie-Verordnung in Hinblick auf die ersten beiden Umweltziele und für bestimmte Branchen konkretisieren. Hierbei wurde der Fokus zunächst auf Wirtschaftstätigkeiten und Branchen gelegt, die das größte Potenzial bezüglich der Minderung und Vermeidung von Treibhausgasemissionen besitzen. Dazu zählen u. a. die Branchen Information und Kommunikation, Baugewerbe und Immobilien, Verarbeitendes Gewerbe, Energie, Verkehr, Wasserversorgung und Entsorger (Abwasser, Abfall und Umweltverschmutzung).  Die Anwendung dieser ersten beiden Umweltziele gilt seit Januar 2022. Für die verbleibenden vier Umweltziele gibt es bereits Vorschläge, aber delegierte Rechtsakte in Bezug darauf sind erst in einigen Monaten zu erwarten.

Im Rahmen der EU-Taxonomie werden neue Berichts- und Informationspflichten für Unternehmen eingeführt. Betroffen davon sind alle Unternehmen, die Finanzprodukte in der EU vertreiben, sowie große Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, die unter die nicht-finanzielle Berichtserstattungspflicht (non-financial reporting directive – NFRD) fallen. Im Rahmen der Berichterstattung muss Auskunft über den Anteil des EU-Taxonomie-konformen Umsatzes, die Investitionsausgaben (CapEx) und, soweit zutreffend, den Betriebsaufwand (OpEx) im Zusammenhang mit nachhaltigen Vermögensgegenständen oder Prozessen gegeben werden. Ohne Berücksichtigung der EU-Taxonomie lässt sich dadurch kein Nachhaltigkeitsbericht mehr rechtskonform erstellen.

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird dabei künftig auf gleiche Ebene mit der Finanzberichterstattung gesetzt, um Akteuren des Finanzmarktes die Wahrnehmung und Vergleichbarkeit der nachhaltigen Aktivitäten von Unternehmen zu erleichtern. Es wird erwartet, dass die Anzahl an betroffenen Unternehmen zukünftig stark steigen wird. Dies wird auch durch die Anpassung der NFRD erfolgen: Es ist geplant, die Mitarbeiterschwelle für die Berichtspflicht auf 250 abzusenken.

Unternehmen, die frühzeitig das Thema Nachhaltigkeit fokussieren, können künftig mit einem Wettbewerbsvorteil in allen Märkten rechnen. Andere Länder wie bspw. Canada und China folgen dem Beispiel der EU und sind bereits dabei eigene Taxonomien zu entwickeln.

Sie wollen über Rechtsänderungen informiert werden und praxisbezogene Erläuterungen erhalten? Dann nutzen Sie unser Online Rechtsinformations-System CertLex. Von unseren Beratern wird Ihnen zunächst ein individualisiertes Rechtskataster erstellt. Anschließend werden Sie monatlich über Änderungen informiert.

Klicken Sie hier, wenn Sie Interesse haben, CertLex kostenlos zu testen.

Das könnte Sie auch interessieren

Das künftige Einwegkunststofffondsgesetz (EWKFondsG) – Gesetzgebungsverfahren eingeleitet Adressatenkreis: Hersteller i. S. d. EWKFondsG (Produzenten, Befüller, Verkäufer oder Importeure, die gewerbsmäßig ... Weiterlesen
Änderung sechs abfallrechtlicher Verordnungen Adressatenkreis: Entsorgungsträger, Erzeuger, Behandler und Besitzer von (verpackten) Bioabfällen, Gemischhersteller, Hersteller von biologisch abbaubaren Kunststoff-Sammelbeuteln; Zertifizierte ... Weiterlesen
Das Gasspeichergesetz – Einführung von Füllstandsvorgaben von Gasspeicheranlagen im EnWG Adressatenkreis: Betreiber von Gasspeicheranlagen und Marktgebietsverantwortliche gem. § 3 Nr ... Weiterlesen
Die Erste Beobachtungsliste der für Wasser für den menschlichen Gebrauch bedenklichen Stoffe und Verbindungen Adressaten: Mitgliedsstaaten und Wasserversorger gem. Art ... Weiterlesen

Wichtige Neuerungen, interessante News, informative Artikel – mit unserem Newsletter bleiben Sie immer auf dem Laufenden!

Letzte News

Arbeitsschutz

/
    Adressatenkreis: Arbeitgeber, in deren Unternehmen Beschäftigte durch direkte oder indirekte Einwirkung von elektromagnetischen Feldern (EMF) bei der Arbeit ausgesetzt sind oder sein können und die für die Umsetzung der ... mehr
    /
    1. Start /
    2. Das künftige Einwegkunststofffondsgesetz (EWKFondsG) –... /
      Adressatenkreis: Hersteller i. S. d. EWKFondsG (Produzenten, Befüller, Verkäufer oder Importeure, ... mehr
      /
      1. Start /
      2. 2. Änderung des Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG)... /
        Adressatenkreis: Inverkehrbringer von Brennstoffen nach Anlage 1 BEHG; Anlagenbetreiber, die Kohle ... mehr
        /
        1. Start /
        2. Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetz (EWPBG) – Entlastung für... /
        Am 22.11.2022 hat die Bundesregierung einen Referentenentwurf mit der Überschrift „Entwurf eines ... mehr
        Suche

        © 2021 CertLex AG

        Login